Eine Schiffsreise durch die Ostsee ermöglichte mir zwei Tage die sogenannte Zarenstadt Sankt Petersburg oder auch die „nördlichsten Millionenmetropole mit dem miesesten Wetter“ zu entdecken. Das Wetter war durchwachsen, aber nicht mies.
Vorbei an der urigen, fast mystischen Insel Kronstadt, einem tristen, aber behaglichen Marine- und Werftstandort, geht es geradewegs auf die Skyline von Sankt Petersburg zu. Sie erinnert von weitem fast an New York. Es ist windstill, wolkig und doch scheint die wärmende Sonne. Die Einfahrt führt durch den riesigen internationalen Güterhafen mit zahlreichen Schiffen, U-Booten, Werften und der Durchfahrt unter einer neuen doppelstockigen Autobrücke der Ringstraße. Ein Russe (vermutlich) badet in der braunen Newa und steigt unbekümmert neben uns aus dem Wasser, am Uferrand parkende Lkw-Fahrer zücken ihr Smartphone und fotografieren unsere MS Deutschland. Wir winken zurück.
Dann biegen wir ein, in die Seeprachtstraße von Sankt Petersburg und legen wieder einmal in erster Reihe an – an einem schwimmenden Anleger am Leutnant-Schmidt-Kai mit imposantem Panoramablick auf die Stadt. Jetzt funkeln goldene Kuppeln im Sonnenlicht und die russischen Tragflügelboote donnern an uns vorbei. Nur die gegenüberliegende Silver Whisperhat es ebenfalls bis in die Innenstadt vor die Lieutenant-Schmidt-Brücke geschafft. Im großen Kreuzfahrtterminal außerhalb der Stadt können bis zu zehn Kreuzfahrtschiffe anlegen, heute sind es etwa fünf, die bei der Einfahrt von der Ferne aus erkennbar waren.
Humorvolle Stadtrundfahrt durch St. Petersburg
Unser Stadtführer Dr. Alexej Korotaev, er hat in Göttingen promoviert, zeigt uns auf einer Fahrt in einem grauen Bus die wichtigsten Highlights Sankt Petersburgs innerhalb von vier Stunden. So viel kennen die meisten Petersburger nicht, kündigt der Doktor an. Humorvoll unterhaltend, rhetorisch korrekt und leicht ironisch hat er zu jedem Palästchen und Plätzchen der „nördlichsten Millionenmetropole mit dem miesesten Wetter“ eine Anekdote parat. Zum Beispiel, dass die Obdachlosen im Winter an der Ewigen (wärmenden) Flamme auf dem Marsfeld alle Enten und Schwäne gefangen und gebraten haben, so dass dort heute keine mehr in den Kanälen schwimmen. Dafür, so weiß Alex zu berichten, laufen heute besonders viele Soldaten, junge Kadetten mit grünen und blauen Uniformen, sowie Hochzeitspaare durch die Straßen und lassen sich fotografieren.
Der Verkehr stockt oft auf der Tour, vor allem in der achtspurigen Prachtstraße Newski Prospekt. Die Straßen sind zwar breit, doch es parkt ständig jemand falsch, erklärt Alex das Problem. Am schnellsten sei man mit der Metro, die wir am nächsten Tag noch kennenlernen.
Unter der Admiralität, Wahrzeichen und geografisches Zentrum der Stadt, liegt in 170 Meter Tiefe die tiefste U-Bahn-Station der Welt. Wir bleiben oben und haben nach der Panoramafahrt und einer erheiternden Wodka-Kostprobe einen mit (fast zu) vielen Fakten garnierten Blick auf diese riesige Zarenstadt von Peter, Katharina und Nikolaus. Und dabei mehr gehört, als die meisten Petersburger je von ihrer Stadt erfahren werden.
Tipp für Schiffsreisende: Ein Landgang ist im ehemaligen Leningrad (so ist hieß die Stadt bis 1991, die Region drumherum heißt immer noch Leningrader Gebiet) nur in Kombination mit einem Landausflug möglich. Wer einen eigenen und individuellen Stadttrip unternehmen möchte, sollte von Deutschland aus ein Einzelvisum beantragen.
Katharinenpalast in Puschkin und Metro in St. Petersburg
Der nächste Tag, nach meiner ersten Weißen Nacht in Sankt Petersburg, beginnt für mich früh. Es geht mit dem Bus nach Puschkin zum prunkvollen Katharinenpalast mit dem dazugehörigen, von der Ruhrgas AG geförderten und im Beisein von Wladimir Putin und Gerhard Schröder eingeweihten, sagenumwobenen Bernsteinzimmer. Geduld ist gefragt. Trotzdem geht es relativ zügig hinein und hinauf durch die Zimmer der einstigen Zare und Palastbewohner. Und es funkelt nur so von goldenen Verkleidungen, Mosaiken und prachtvollen Deckengemälden…
Außerdem besuchen wir heute die spektakuläre Sankt Petersburger Metro (wie im Französischen) – die Untergrundbahn und schnellstes Fortbewegungsmittel der Stadt. Jettons (ebenfalls Französisch) heißen die kleinen runden Münzen, die man für eine U-Bahn-Fahrt für 46 Rubel kaufen und mit den fünf Linien so lange fahren kann, bis man aussteigt. Die erste Linie fährt seit 1955, derzeit gibt es 68 Stationen, die tiefste befindet sich unter der Admiralität (seit 2011, mit Marmorböden!) und liegt 102 Meter unter der Erde. Die U-Bahn-Stationen sind äußerst sauber und teilweise so prächtig gestaltet wie Ballsäle in Palästen. Besonders sind ebenfalls die geschlossenen Stationen, auch horizontale Fahrstühle genannt, in denen die Türen auf dem Bahnsteig erst öffnen, wenn dahinter ein Zug eingefahren ist. Das hat den sicheren Vorteil, dass niemand auf die Gleise fallen kann. Stattdessen muss der Zug immer punktgenau anhalten, damit die Passagiere ein- und aussteigen können. Im Gegensatz zu Moskaus U-Bahn sind alle Beschilderungen auf Russisch und zusätzlich auf Englisch oder zumindest in lateinischen Buchstaben geschrieben.
Zum Abschied zeigt sich Sankt Petersburg im tristen grau, ganz wie es sich gehört für die russische Millionenmetropole an der Ostsee.