Sigur Rós spielten auf ihrer Welttournee im Oktober 2017 zwei ausverkaufte Konzerte in Berlin. Mir war die isländische Band bis vor zwei Tagen gänzlich unbekannt, was nicht bedeutet, dass ich sie noch nie gehört habe. Meine Sitznachbarn neben mir kennen sie bereits seit 1999 und die hinter mir seit Slumdog Millionär. Ich bekam meine Lastminute-Konzertkarte direkt vor der Halle und bin gespannt auf das Trio aus Island.
Mystischer Nebel wabert durch das Tempodrom, ein dunkler Sound vibriert durch die Halle. Mit Tempo haben es die Isländer nicht. Dann geht’s los, ohne Vorband und Begrüßung. Alles ist schwarz. Es knistert. Winzige Lichter fliegen über die Bühne. Ein einnehmender, mystischer Sound erklingt. Bis zur Krachextase. Alle Zuhörer sitzen oder stehen brav und klatschen nach jedem Stück wie bei einem Klassikkonzert. Ohne Verabschiedung gehen die drei zur Pause von der Bühne. Der Saal ist heiß, Abkühlung gibt es vor der Tür. Im zweiten Set wird es intensiver. Tempowechsel, Wechsel zwischen Höhen und Tiefen und viele Lichtblitze, die wie Geysire durch die Halle strahlen, prägen die Atmosphäre. Was für ein Sound! Er überträgt eine Stimmung, ein Gefühl oder einen unbeschreiblichen Zustand. Das gespannte Publikum, sehr altersgemischt, bleibt verhalten, nahezu regungslos und klatscht immer noch eifrig im Übergang zu jedem nächsten Stück. Manchmal stelle ich mir die Frage woher die gewaltigen Töne und Schwingungen herkommen – ist das Musik oder Krachkunst. Es ist laut, teilweise ohrenbetäubend. Dann spricht Bandleader Jon „Jonsi“ Birgisson, der seine E-Gitarre energisch mit einem Bogen bespielt, kurz vor Ende eher leise ein paar wenige, unverständliche Worte. Ohne Zugabe verlässt das Trio – Schlagzeuger und Hausmeister Orri mit freiem Oberkörper – um 22.22 Uhr nach langen Ovationen und anständigen Verbeugungen drei Mal die Bühne und bedankt sich ebenfalls klatschend und wortlos von seinen Zuhörern. Takk steht im Hintergrund in weißer Schrift auf der schwarzen Videoleinwand. Nach einigem Zögern und ohne musikalische Zugabe verlassen die Zuhörer den aufgeheizten Saal in die dunkle, mystisch-angehauchte Berliner Nacht.
Der unbeschreibliche Sound und die lauten Eindrücke von Sigur Rós werden bleiben, als stil-echte Liveband, die mit ihrem Publikum spielt, würde ich die trotz allem sympathischen Nordländer nicht bezeichnen. Der interessante Bandname beruht auf dem Namen von Jonsís Schwester Sigurrós, die am Tag der Bandgründung im Jahre 1994 geboren wurde. Apropos Name, ebenfalls interessant klingt das dritte Album der Isländer aus dem Jahre 2002 names () mit acht unbenannten Songs. Quasi eine Band ohne Album- und Songnamen, allerdings nicht zu verwechseln mit der Berliner Band ohne Namen.
Quellen und Links
- Ein Konzert wie ein Rausch (rbb24.de, 10.10.2017)
- Die Isländer Sigur Rós spielen ihr Publikum in Trance (Berliner Morgenpost, 10.10.2017)
- Wikipedia-Eintrag