Ostsee-Kreuzfahrt mit der MS Deutschland

Eine Ostsee-Kreuzfahrt mit dem legendären und klassischen Traumschiff MS Deutschland von Bremerhaven nach Kiel.

Ich war mit dem legendären Traumschiff MS Deutschland von Phoenix Reisen in der Ostsee unterwegs. Meine Reise führte mich von Bremerhaven aus zu den Perlen der Ostsee und zurück nach Kiel. Was man auf dem schwimmenden Grand Hotel erwarten kann und wie es wirklich ist, berichte ich in meinem Reisebericht mit Video.

Reisebericht zur Ostsee-Kreuzfahrt mit der MS Deutschland

Es geht los! Mit „Sail Away“ werden wir in Bremerhaven bei Nieselwetter am Columbuskaje verabschiedet. Wir liegen Heck an Heck mit der scheinbar doppelt so großen Mein Schiff 4, die bei der Abfahrt noch lange am Horizont erkennbar ist. An Bord lässt die alt bekannte Traumschiff-Melodie erste Träume an die sanft-kitschige ZDF-Sendung aufkommen – doch Kapitän Paulsen und Chefstewardess Beatrice sind (noch) nicht in Sicht.

Unsere Route verläuft von Bremerhaven durch den Nord-Ostsee-Kanal (NOK) nach Visby, Gotland (Schweden), Stockholm (Schweden), Helsinki (Finnland), St. Petersburg (Russland), Tallinn (Estland), Klaipeda (Litauen), Sassnitz (anstatt Binz) auf Rügen und zurück nach Kiel.

Unser Traumschiff-Kapitän heißt Hubert Flohr, Kreuzfahrtdirektor ist Christoph Schädel, Hoteldirektor ist Andreas Vespermann. Deren persönliche Begrüßung („Bitte den Eingang auf der Backbordseite nutzen, auf der Steuerbordseite entfällt das gemeinsame Foto“) mit anschließendem Begrüßungscocktail und Gala-Abendessen werden wir am zweiten Abend auf dem Weg nach Gotland im Kaisersaal auf Deck 6 erleben. Festliche Abendgarderobe wird empfohlen. Zu allererst erfolgt die Rettungsübung mit dem akribisch-manuellen Durchzählen aller 509 Passagiere (der Altersdurchschnitt liegt bei knapp 70 Jahren, es sind fünf Kinder und Jugendliche an Bord), die sich nach dem Aufrufen ihrer Kabinennummer melden, sowie dem teils heiteren, aber im Notfall doch so wichtigen Anlegen der Rettungswesten. Treffpunkt ist die jeweilige Sammelstation, meine ist auf Deck 6 direkt neben den Rettungsbooten.

Für die MS Deutschland ist es unter der türkisfarbenen Flagge von Phoenix Reisen die siebte Reise im Jahr 2017. Sie ist ausgebucht, verrät der Kapitän, der in seinen Ansprachen stets zum Ausguck halten rät: Es gibt immer etwas zu sehen. Vor der Einfahrt nach Stockholm beispielsweise solle man unbedingt auf dem Außendeck sein, egal wie das Wetter wird.

Nachdem die Rettungswesten den meisten Passagieren jetzt noch passen, geht es schon zum ersten Abendessen. Doch wohin? Mein unentschiedener Gang führt mich ins Restaurant Berlin. Dort wird zu zwei Tischzeiten mit Tischplatzreservierung und einem fest zugeordneten Platz gegessen. Da neben dem Kapitän kein Platz mehr ist, entscheide ich mich für den runden Tisch am Fenster. Tisch Nummer Sieben. Ein älteres Paar sitzt schon da, wir unterhalten uns und essen gemeinsam. Ein Herr kommt zwischendurch dazu und meldet sich und seine Frau für den heutigen Abend an unserem Tisch ab. Wir werden uns sicher wiedersehen.

Unsere Reisegeschwindigkeit liegt zwischen 13 bis 16 Knoten auf der Ostsee, im Nord- Ostsee-Kanal etwa bei 7 bis 8 Knoten. In jedem der kommenden Häfen steigt ein Lotse zum Ein- und Auslaufen an Bord.

1. Tag: Seetag auf der Ostsee

Nach der ersten Nacht im Nord-Ostsee-Kanal, der 98,64 Meter langen und weltweit meist befahrenen, künstlichen Wasserstraße für Seeschiffe (hinterher gibt es sogar für jeden Passagier eine Urkunde für dieses Ereignis) bietet sich der erste vollständige Seetag ideal zur Schiffserkundung an. Die Sonne strahlt dazu den ganzen Tag über freudig vom blauen Himmel.

Bei der abendlichen Willkommensgala im Kaisersaal stellen der erfahrene Kapitän Flohr und der deutlich jüngere Kreuzfahrtdirektor Schädel einen Teil und die wohl wichtigsten Offiziere der 280-köpfigen Crew vor und geben einen Ausblick auf die bereits begonnene Ostseereise. Bei dem Gala-Abendessen speisen beide Hauptprotagonisten an ihrem angestammten Sitzplatz in Mitte des Restaurants Berlin – eben genau wie auf dem Traumschiff. Neben mir sitzt Bordpfarrer Heinemann und seine Frau sowie zwei ältere Paare, allesamt aus dem Rheinland, an einem runden Achtertisch. Als Vorspeise gibt es eine Pescaccio Oriental mit Lachs, Wildkraftbrühe mit Calvados und Pistazienklößchen und ein Sorbet aus Schwarzer Johannisbeere, dazu Champagner. Als Hauptgericht wird Atlantik Steinbuttfilet oder Entrecôte Double vom Maredo Rind gereicht, zum Dessert schlemmen wir nur das Beste von der Erdbeere. Alle sind zufrieden und essen ihre kleinen, hübsch dekorierten Portionen sauber auf.

Anschließend zeigt das sechsköpfige Show-Ensemble mit der „Best of Musical-Show“ Höhepunkte aus Cats, Phantom der Oper, Elisabeth, Grease, Jekyll & Hyde und Saturday Night Fever. Eine erstklassige Live-Vorstellung: „Kostüme, Tanz und Gesang – alles wunderbar!“, heißt es von meinem befreundeten Tischnachbarn und auch das Publikum im Kaisersaal ist bis zum Schluss bestens unterhalten und honoriert dies mit freudigem Applaus.

Fakten des Tages

  • Wetter: Blauer Himmel und Sonnenschein.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Festliche Abendgarderobe.
  • Tagescocktails: Blue Lagoon und Virgin Colada (alkoholfrei).

2. Tag: Visby (Gotland), Schweden

Unser erster Hafen ist die schwedische Hansestadt Visby, wo die MS Deutschland am kommenden Tag von 13 bis 20 Uhr vor Anker geht. Genug Zeit, diese charmante UNESCO-geschützte Stadt ausführlich zu erkunden, die vom Schiff aus fußläufig in wenigen Minuten erreichbar ist. Die von einer Stadtmauer umgebene mittelalterliche Altstadt lädt mit Bars, Cafés und duftenden Rosen in ihre malerischen kleinen Gassen ein. Außerdem belebt ein Stadtfest die alten Mauern, was viele Menschen auf die Straße lockt.

Visby beherbergt aber auch eines der berühmtesten Bauwerke der Literaturgeschichte: Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt (Villa Villekulla). Sie steht im Freizeitpark Kneippbyn und eine Besichtigung ist für Fans natürlich ein Muss – zumal die rothaarige Herrin des Hauses tatsächlich anwesend zu sein scheint: Am Kopfende des kleinen Holzbettchens schauen ihre legendären Schuhe unter der Bettdecke hervor. Für Sportliche ist Kneippbyn sogar mit dem Fahrrad bequem über einen gut ausgebauten Radweg zu erreichen, zu Fuß ist der Weg eher fade. Eine Fahrradausleihe befindet sich direkt am Hafen.

Am Abend dann ein weiteres Spektakel: Jogis Jungs gewinnen den Confed-Cup, was bei den Passagieren verschiedene Reaktionen auslöst. Während die einen dies milde lächelnd lediglich zur Kenntnis nehmen, entrüsten sich andere leidenschaftlich über Zuspätkommer, die den Blick auf den Bildschirm versperren.

Nicht auf dem Bildschirm, sondern live im Kaisersaal lösen währenddessen The Wanderers Begeisterung aus. Sie lassen den Funke überspringen, das Publikum tanzt und am Ende gibt es Standing Ovations. Nach einer Zugabe werden sie mit tosendem Applaus verabschiedet.

Fakten des Tages

  • Wetter: Blauer Himmel und Sonnenschein.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leichte Eleganz. Herren im Sakko mit oder ohne Krawatte, Damen entsprechend.
  • Tagescocktails: Touch Down und Big Apple (alkoholfrei).
  • Souvenir: Mitbringsel von Pippi Langstrumpf aus der Villa Villekulla.
  • Währung: SEK, bargeldlose Kartenzahlung problemlos möglich, das Leihfahrrad konnte mit Euro bezahlt werden, Rückgeld in SEK (Kurs etwa 1:10).

3. Tag: Stockholm, Schweden

Etwa um 4 Uhr beginnt die Schärenfahrt, um 5.30 Uhr klingelt der Wecker, so dass ich vor 6 Uhr bei Kaiserwetter die Fahrt vom Lido-Deck verfolgen kann. Kurz nach 8 Uhr machen wir nach 100 Seemeilen bei schönstem Sonnenwetter am besten Anleger Stockholms, am Stadsgarden 160, fest. Die großen Schiffe parken außerhalb. Frühstück mit Panoramablick auf die Altstadt und der geduldigen Möwe Erna auf der Reling, die nach einem kurzen Fotoshooting nicht leer ausgeht und sich kreischend bedankt.

Zu Fuß geht es in die Innenstadt. Es wird viel gebaut in der Stadt am Wasser. Mittags treffen wir auf die nicht zu überhörende Garde, die sich mit Pauken und Trompeten den Weg zur Wachablösung am Kungliga Slotted bahnt. Das Stadhuset etwas westlich davon ist Touristenmagnet und von fotografierenden Japanern eingenommen. Ruhiger geht es auf den Inseln Skeppsholmen und Kastelholmen zu. Gleich gegenüber von unserem Traumschiff und auf der nächsten Insel steht das berühmte Wasamuseum und der Freizeitpark Gran Lund, in dem die Karussells und Fahrgeschäfte im Minutentakt von kreischenden Vergnügungssüchtigen befahren werden. Sehr plötzlich zieht es sich dunkel zu und auf dem Rückweg zum Schiff erwischt uns ein Schauer, dem wir in den trockenen und unterirdischen Passagen nahe des T-Centralen entgehen. Auf dem großen, zentralen Platz Sergels Torg am Kulturhuset und Stadsteatern, in der Drottninggatan und den engen Gassen der Gamla Stan ist es daher etwas ruhiger.

Pünktlich als Vorletzter betrete ich wieder das Schiff. Ein paar hundert Meter weiter liegt die große Phoenix-Schwester MS Artania, die beim Auslaufen unter Traumschiff-Melodie mit ächzenden Typhon-Tönen beider Schiffe verabschiedet wird. Viele Crewmitglieder und Passagiere stehen auf den Außendecks und Balkons und winken sich, zum Teil mit weißen Taschentüchern und Phoenix-Winkhänden, herzlich zu, manche Besatzungsmitglieder kennen sich. A propos Crew: Unser Schiffsarzt hat sich selbst einen Schnupfen eingefangen, hat aber zum Glück zur Zeit nicht viel zu tun.

Am Abend animiert die Rock’n Roll Show „Buddy Holly & Friends im Kaisersaal zum Mitmachen, anschließend wird bei der 50er Jahre Party ebenda auf der Bühne prächtig das Tanzbein geschwungen.

Fakten des Tages

  • Wetter: Sehr wechselhaft.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leichte Eleganz. Herren im Sakko mit oder ohne Krawatte, Damen entsprechend.
  • Tagescocktails: Singapore Sling und Sun&Fun (alkoholfrei).
  • Souvenir: „Klubba“, schwedische Lutscher .
  • Währung: SEK, bargeldlose Kartenzahlung problemlos möglich (Kurs etwa 1:10).

4. Tag: Helsinki, Finnland

Ich habe ausgeschlafen, wie von Ihrem und unserem Kreuzfahrtdirektor Christoph Schädel empfohlen. Nach gut 200 Seemeilen Ostseefahrt durch den Golf von Finnland erreichen wir Helsinki, die größte Stadt des Landes. Es ist sonnig, 17° Celsius. Unsere Schiffsuhren wurden in der Nacht um eine Stunde umgestellt. Es ist eine sehr schöne Einfahrt nach Helsinki, vorbei an den kleinen Inseln und der Seefestung Soumenlinna mitten in den Hafen Katajanokka. Wir stehen in der ersten Reihe, direkt vor dem Riesenrad.

Helsinki ist eine moderne, saubere und internationale Stadt, die fußläufig gut zu entdecken ist – besonders, wenn man so stadtnah anlegt. Nur 500 Meter sind es bis zum Markt, auf dem es Gemüse, Obst, Blumen und Souvenirs wie Rentierfelle, Wollmützen oder allerhand Geschnitztes gibt. Wer sich vor der Kreuzfahrt nicht mehr den passenden Haarschnitt zugelegt hat, kann das hier nachholen, die vielen über die Stadt verteilten kleinen Friseurläden sind auffällig! Inoffizielles Wahrzeichen der Stadt sind eine nackte Bronze-Meerjungfrau an einem Brunnen am Rande des Marktplatzes und das größte Kaufhaus des Nordens, Stockmann. Männer benötigen dort etwa 20 Minuten, Frauen vier bis sechs Stunden, scherzte die Schiffsstimme Manuel über die Lautsprecher besonders geistreich.

In der Stadt fallen die Kathedrale und der Dom sofort ins Auge, die im Felsen versteckte Festungskirche ist dagegen leicht übersehbar. Einen 360-Grad-Blick, auch auf den Hafen und das Schiff, sowie freies WiFi bietet die Torni Ateljee Bar in der 14. Etage des Sokos Hotels. Ein weiterer Tipp vom Bordexperten ist die Straßenbahnlinie T3, die ich allerdings nicht getestet habe.

Die Einheimischen lieben die Inseln vor ihrer Stadt, den kleinen Sandstrand etwas außerhalb sowie die grünen Parks, verraten mir zwei typisch blonde Finninnen. Im Winter ist es sehr ruhig in der Stadt und man ist unter sich, da nur wenige Touristen den Weg nach Helsinki finden. Alle Straßennamen sind auf finnisch (wie auf dem Stadtplan) und schwedisch weiß auf blauem Grund ausgeschrieben. Etwas finnisch gefällig? „Moi“ oder „Hej“ heißen Hallo, „Moikka“ oder „Heippa“ bedeuten Auf Wiedersehen. „Kiitos“ (Danke), sagen sogar die Kinder, nachdem ich ihnen die Tür aufgehalten habe.

Schon beim Mittagessen an Bord klaut mir eine finnische „Lokki“ (Möwe) meine Bratwurst vom Teller, und auch ihre Freunde in der Stadt sind scharenweise unterwegs, sitzen auf jeder Bronzestatur und ziehen auf dem Markt teilweise sehr aggressiv auf Beutezug. Irgendwie bekommen sie schließlich wohl meine Bordkarte zu greifen. Bei der Rückkehr zum Schiff ist sie jedenfalls plötzlich weg, nach einigem Hin und Her darf ich aber zum Glück doch noch zusteigen.

An Bord ist heute übrigens Crewparty auf Deck 3, was wohl viele Passagiere nicht bemerken und trotzdem gern dabei sein würden.

Fakten des Tages

  • Wetter: Beim Anlegen wolkig und grau, danach Sonne und vereinzelt weiße Wolken den ganzen Tag.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leichte Eleganz. Herren im Sakko mit oder ohne Krawatte, Damen entsprechend.
  • Tagescocktails: Blue Hawaii und Strawberry Kiss (alkoholfrei).
  • Souvenir: Finnischer Bieröffner aus echtem Elchgeweih.
  • Währung: Euro.

5. und 6. Tag: Sankt Petersburg, Russland

Vorbei an der urigen, fast mystischen Insel Kronstadt, einem tristen, aber behaglichen Marine- und Werftstandort, geht es geradewegs auf die Skyline von Sankt Petersburg zu. Sie erinnert von weitem fast an New York. Es ist windstill, wolkig und doch scheint die wärmende Sonne. Die Einfahrt führt durch den riesigen internationalen Güterhafen mit zahlreichen Schiffen, U-Booten, Werften und der Durchfahrt unter einer neuen doppelstockigen Autobrücke der Ringstraße. Ein Russe (vermutlich) badet in der braunen Newa und steigt unbekümmert neben uns aus dem Wasser, am Uferrand parkende Lkw-Fahrer zücken ihr Smartphone und fotografieren die MS Deutschland. Wir winken zurück. Dann biegen wir ein, in die Seeprachtstraße von Sankt Petersburg und legen wieder einmal in erster Reihe an – an einem schwimmenden Anleger am Leutnant-Schmidt-Kai mit imposantem Panoramablick auf die Stadt. Jetzt funkeln goldene Kuppeln im Sonnenlicht und die russischen Tragflügelboote donnern an uns vorbei. Nur die gegenüberliegende Silver Whisper hat es ebenfalls bis vor die Lieutenant-Schmidt-Brücke geschafft. Im großen Terminal außerhalb der Innenstadt können bis zu zehn Kreuzfahrtschiffe anlegen, heute sind es etwa fünf, die bei der Einfahrt von der Ferne aus erkennbar waren.

Stadtführer Dr. Alexej Korotaev, in Göttingen promoviert, zeigt uns auf einer Fahrt in einem grauen Bus die wichtigsten Highlights innerhalb von vier Stunden. So viel kennen die meisten Petersburger nicht, kündigt der Doktor an. Humorvoll unterhaltend, rhetorisch korrekt und leicht ironisch hat er zu jedem Palästchen und Plätzchen der „nördlichsten Millionenmetropole mit dem miesesten Wetter“ eine Anekdote parat. Zum Beispiel, dass die Obdachlosen im Winter an der Ewigen (wärmenden) Flamme auf dem Marsfeld alle Enten und Schwäne gefangen und gebraten haben, so dass dort heute keine mehr in den Kanälen schwimmen. Dafür, so weiß Alex zu berichten, laufen heute besonders viele Soldaten, junge Kadetten mit grünen und blauen Uniformen, sowie Hochzeitspaare durch die Straßen und lassen sich fotografieren.

Der Verkehr stockt oft auf der Tour, vor allem in der achtspurigen Prachtstraße Newski Prospekt. Die Straßen sind zwar breit, doch es parkt ständig jemand falsch, erklärt Alex das Problem. Am schnellsten sei man mit der Metro.

Unter der Admiralität, Wahrzeichen und geografisches Zentrum der Stadt, liegt in 170 Meter Tiefe die tiefste U-Bahn-Station der Welt. Wir bleiben oben und haben nach der Panoramafahrt und einer erheiternden Vodka-Kostprobe einen mit (fast zu) vielen Fakten garnierten Blick auf diese riesige Zarenstadt von Peter, Katharina und Nikolaus. Und dabei mehr gehört, als die meisten Petersburger je von ihrer Stadt erfahren werden.

Ein Landgang ist im ehemaligen Leningrad (so ist hieß die Stadt bis 1991, die Region drumherum heißt immer noch Leningrader Gebiet) nur in Kombination mit einem Landausflug möglich, ein solcher wird vor- und nachmittags angeboten. Wer einen eigenen und individuellen Stadttrip unternehmen möchte, sollte von Deutschland aus ein Einzelvisum beantragen. Abends gehen einige Ballettliebhaber und die stellvertretende Restaurantleiterin des Lido in eine „Schwanensee“- Aufführung in der Stadt und sind restlos begeistert.

Der nächste Tag nach meiner ersten Weißen Nacht in Sankt Petersburg beginnt für mich früh. Es geht nach Puschkin zum prunkvollen Katharinenpalast mit dem dazugehörigen, von der Ruhrgas AG geförderten und im Beisein von Wladimir Putin und Gerhard Schröder eingeweihten, sagenumwobenen Bernsteinzimmer. Geduld ist gefragt. Trotzdem geht es relativ zügig hinein und hinauf durch die Zimmer der einstigen Zare und Palastbewohner. Und es funkelt nur so von goldenen Verkleidungen, Mosaiken und prachtvollen Deckengemälden…

Außerdem besuchen wir heute die spektakuläre Sankt Petersburger Metro (wie im Französischen), Untergrundbahn und schnellstes Fortbewegungsmittel der Stadt. Jettons (ebenfalls Französisch) heißen die kleinen runden Münzen, die man für eine U-Bahn-Fahrt für 46 Rubel kaufen und mit den fünf Linien so lange fahren kann, bis man aussteigt. Die erste Linie fährt seit 1955, derzeit gibt es 68 Stationen, die tiefste befindet sich unter der Admiralität (seit 2011, mit Marmorböden!) und liegt 102 Meter unter der Erde. Die Stationen sind äußerst sauber und teilweise so prächtig gestaltet wie Ballsäle in Palästen. Besonders sind ebenfalls die geschlossenen Stationen, auch horizontale Fahrstühle genannt, in denen die Türen auf dem Bahnsteig erst öffnen, wenn dahinter ein Zug eingefahren ist. Das hat den sicheren Vorteil, dass niemand auf die Gleise fallen kann. Stattdessen muss der Zug immer punktgenau anhalten, damit die Passagiere ein- und aussteigen können. Im Gegensatz zu Moskau sind alle Beschilderungen auf Russisch und zusätzlich auf Englisch oder zumindest in lateinischen Buchstaben geschrieben.

Abends vertreiben wir uns die Zeit an Bord mit der Udo Jürgens Show und dem Cocktailshaken der Offiziere. Um 18 Uhr geht es schließlich weiter Richtung Tallinn. Zum Abschied zeigt sich Sankt Petersburg grau, ganz wie sich das gehört…

Fakten des Tages

  • Wetter: Ein bunter Mix aus Wolken und Sonne, auch mit kurzen Regenschauern.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leichte Eleganz. Herren mit Sakko mit oder ohne Krawatte, Damen entsprechend.
  • Tagescocktails: Cosmopolitan und Dancing Queen (alkoholfrei).
  • Souvenir: Sehr klassisch, zwei kleine bunte Matruschkas aus Holz.
  • Währung: Rubel.

7. Tag: Tallinn, Estland

Am nächsten Vormittag erreichen wir Tallinn, die Hauptstadt des Landes der 1.500 Inseln, dessen größte und wichtigste Hafenstadt und von der UNESCO als „außergewöhnlich vollständiges und gut erhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen nordeuropäischen Handelsstadt“ bezeichnet wird. Schon vom Wasser aus sichtbar ist die Dicke Margarethe, ein robuster Wehrturm der alten „Revaler Stadtbefestigung“, der nicht nur gegen Angriffe aus der Ostsee schützen, sondern auch Anreisende beeindrucken sollte – schon geschehen!

Geschichte ist hier an jeder Ecke präsent: Lange unter dänischer, zwischendurch unter deutscher und russischer Herrschaft, erkämpfte sich Estland 1920 die Unabhängigkeit, musste diese durch den 2. Weltkrieg einbüßen, konnte aber schließlich im Mai 1990 endgültig als Republik Estland Souveränität erlangen.

In Tallinns aus dem 11. Jahrhundert stammenden Zentrum gibt es bis heute nahezu kein modernes Gebäude. Einen beeindruckenden Gegensatz bietet die Linnahall nahe dem Hafen, ein 1980 entstandener sowjetischer Betonkomplex, der als Mehrzweckhalle diente und aktuell dem Verfall nahe ist, da es keine Einigkeit über seinen Verbleib gibt. Ein weiteres Wahrzeichen der Stadt ist der Domberg, auf dem sich die früher von Adel und Klerus bewohnte Oberstadt befindet. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Unterstadt mit ihren vielen engen Gassen, wo man sich das ehemalige Gewusel aus Handwerkern und Handelsleuten noch lebhaft vorstellen kann. Im Norden der charmanten Altstadt mit ihrem wunderschönen Marktplatz liegt außerdem die berühmte Olaikirche, deren Turm mit ca. 124 Metern besonders hoch ist – 250 läppische Stufen sind zu erklimmen, um von dort aus auf die Stadt hinunterzublicken. Es lohnt sich!

Unter den 500.000 Einwohnern Tallinns leben viele Studenten, die Einwohner lieben ihre Parks und die Plätze am Meer, wie mir zwei junge Esten in gutem Deutsch berichten. Die estnische Sprache ist übrigens dem Finnischen ähnlich – eine Kostprobe: „Tere“ heißt „Hallo“, „Aitäh“ bedeutet „Danke“ und mit einem „Head aega“ verabschiedet man sich.

Wieder zurück an Bord, geht’s zum Gala-Abend. Bei feinem Essen, Cocktails und Eisparade wird das nahende Ende der Kreuzfahrt gefeiert. Kapitän Flohr fasst die kurze, schöne Reise zusammen und verrät bei der Abschlussansprache einen Trick, um sich bei der Navigation die Farbe der jeweiligen Tonnen mit guter Vorbereitung zu merken. Er und der Kreuzfahrtdirektor sind zur späten Tischzeit im Restaurant Berlin.

Fakten des Tages

  • Wetter: Durchgehend sonnig und wolkenlos.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Festliche Abendgarderobe.
  • Tagescocktails: Zombie und Sportsmen.
  • Souvenir: Alexander, ein traditionelles Lagerbier aus Estland.
  • Währung: Euro.

8. Tag: Klaipeda, Litauen

„Labas“ (Hallo) im Land des Regens! Prächtig werden wir in Klaipeda empfangen: Bei Regen spielt uns ein kleines Empfangskomitee im Hafen heimische Volkslieder. Das erste Mal auf der Reise erleben wir diese herzliche Begrüßung durch den Heimathafen.

Klaipeda, bis 1920 die nördlichste deutsche Stadt und zwischen 1918 und 1939 Zentrum des Memellandes, ist seine vielseitige und durch diverse Nationen geprägte Vergangenheit noch gut anzumerken. Die Altstadt besteht aus malerischen Fachwerkhäusern, die Straßen sind geometrisch angelegt – durchweg außergewöhnliche Eigenschaften für eine litauische Stadt.

Wie in allen anderen Ostseehäfen lieben die Einheimischen hier das Meer. So auch Ingo, unsere Reisebegleitung auf dem Rad durch die Kurische Nehrung. Schön ist es, und wir sagen: „Viso Gero (Tschüß), Klaipeda!“ – hoffentlich auf ein nächstes Mal!

Abends an Bord amüsiert die Crewshow mit künstlerischen Einlagen der Besatzung. Von der Housekeeping- Combo über Eddy von der Bar hin zu DJ Zauberkasten und der tanzenden Restaurantleiterin. Jeder zeigt, was er kann! Heftig getobt wird auch auf der Rockparty der Küche: Stichflammen auf dem Kochfeld, Freisekt und Polonaise zu AC/DC lassen die Hauptküche des Restaurant Berlin bis zwei Uhr beben. Kapitän Flohr sitzt mit geladenen Gästen im leeren Restaurant neben dem Eingang, während Kreuzfahrtdirektor Schädel seinerseits mit lockiger Perücke und Sonnenbrille durch die Küche rockt – verrückt!

Fakten des Tages

  • Wetter: Durchweg regnerisch und grau.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leger.
  • Tagescocktails: Planters Punch und Push me (alkoholfrei).
  • Souvenir: Postkarte in der Form von Litauen.
  • Währung: Euro.

9. Tag: Sassnitz auf Rügen

Vor der Ankunft in Sassnitz wird am Morgen zum Bayerischen Frühschoppen mit Musik die gestaltete Seekarte verlost. Anschließend gibt es ein langes Anlegemanöver mit Schlepper, da es in dem kleinen Hafen sehr eng ist. Unter dem Kiel sind nur etwa 20 cm Platz. In Sassnitz, wo die MS Deutschland einer der Höhepunkte an diesem Tag ist, werden wir mit einem bunten und lauten Hafenfest empfangen.

Bei wunderbarem Sonnenschein unternehme ich eine Wanderung entlang der Steilküste und sammle unzählige Hühnergötter (DIE bekannten Steine mit den Löchern), Donnerkeile (fossile Schalen der sogenannten „Belemniten“, urzeitlichen Tintenfischen) und anderes Strandgut.

Mit einem herrlichen Panorama, vom Kai aus winkenden Touristen und Beibooten sowie einem krönenden Sonnenuntergang werden wir von Rügen in Richtung Kiel verabschiedet, wo am nächsten Morgen die recht unspektakuläre Ankunft erfolgt. Das Wetter in Kiel: passend zur Abschiedsstimmung schlecht. Gepäck und Passagiere werden in den Abreisebussen verstaut und verteilen sich in Windeseile. Unsere Reise ist zu Ende.

Fakten des Tages

  • Wetter: Sonniges Kaiserwetter mit blauem Himmel.
  • Bekleidungsempfehlung für den Abend: Leichte Eleganz.
  • Tagescocktails: Swimming Pool und Nix drin (alkoholfrei).
  • Souvenir: Hühnergötter und Donnerkeile – Strandgut pur.
  • Währung: Euro.

Video der Ostseereise mit der MS Deutschland

Das abschließende Video der 10-tägigen Ostseereise mit dem Traumschiff MS Deutschland von Bremerhaven durch Nord-Ostsee-Kanal über Visby, Gotland (Schweden), Stockholm (Schweden), Helsinki (Finnland), St. Petersburg (Russland), Tallinn (Estland), Klaipeda (Litauen), Sassnitz auf Rügen und zurück nach Kiel.

Ich bedanke mich bei Phoenix Reisen und der gesamten Crew der MS Deutschland für diese Reise! Der Beitrag wurde zuerst auf Kreuzfahrtpiraten.de veröffentlicht.

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Von Mart!n

Selten gehe ich ohne Kamera aus dem Haus und habe so die Welt vor der Linse. In meinem Blog findest du viele Fotos und Fundstücke aus Berlin und Warnemünde sowie Reiseberichte von meinen Standorten in Deutschland, Europa und der Welt. Neben meinen Presseartikeln und Veröffentlichungen habe ich meine liebsten Weblieblinge zusammengestellt.

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